Conflictfood: Wir glauben fest daran, dass Handel brücken bauen kann

Conflictfood Günder Salem und Gernot vor ihren Produkten

Foto von Conflictfood.

Gernot & Salem über die Anfänge von Conflictfood und wie der Verkauf von Lebensmitteln in Europa das Leben in Konfliktregionen verändert

 

Was war die Inspiration hinter der Gründung von Conflictfood und wie kam es zu der Idee?

Die Idee zu Conflictfood entstand auf einer Reise nach Afghanistan. In Herat lernten wir, Salem und Gernot (Anm. der Redaktion: Gründer von Conflictfood) ein unabhängiges Frauenkollektiv kennen, das ein paar Jahre zuvor noch Opium angebaut und den Umstieg zum Safrananbau geschafft hatte. Selbstbestimmt und mutig hatten sie sich aus den mafiösen Strukturen befreit. Beeindruckt von ihrer Geschichte entstand der Wunsch, diese in größerem Rahmen zu teilen. Das führte schließlich zur Gründung eines sozialen Handelsunternehmens: Conflictfood.

 

Ihr verkauft Lebensmittel aus Konfliktregionen wie Afghanistan, Myanmar und der Ukraine. Warum ausgerechnet dort und warum ist es so wichtig, die Leute vor Ort zu unterstützen? 

Wir glauben fest daran, dass Handel Brücken bauen kann, die so durch Spenden oder andere wohltätige Ansätze nicht möglich sind. Und dass diese gerade in Konfliktregionen häufig wegbrechen und die Bevölkerung vulnerabel zurücklassen. Unsere Kund*innen schätzen die Conflictfood Produkte aufgrund ihrer Qualität und ihres Geschmacks. Die finanzielle Unterstützung der Produzent*innen wird also zur Win-Win-Situation für alle. Außerdem haben wir durch unsere Arbeit mit Kollektiven die Möglichkeit, unkompliziert und direkt die Zivilbevölkerung der jeweiligen Regionen zu erreichen. Dass wir die Entscheidung für eine neue Region und ein neues Produkt treffen, bedeutet immer eine Vielzahl von Faktoren: wir reisen selbst in die Regionen und lernen unsere Partner*innen persönlich kennen - und testen bei dieser Gelegenheit natürlich auch die kulinarischen Schätze, die sie anbauen. 

 

Wie wirkt sich der Verkauf von Lebensmitteln aus Konfliktregionen auf die Menschen vor Ort aus? Inwiefern unterstützt Conflictfood die lokale Gemeinschaft in den Konfliktregionen über den reinen Verkauf von Lebensmitteln hinaus?

Für unsere Arbeit mit Conflictfood reisen wir in Länder wie Afghanistan, Palästina, Myanmar oder die Ukraine. Diese Länder sind häufig aus europäischer Perspektive nur für ihre Konflikte bekannt. Das wollen wir ändern.

Daher machen wir uns auf die Suche nach landestypischen Spezialitäten, auf die die Produzent*innen stolz sind. Neben dem Verkauf ihrer Produkte möchten wir vor allem ihre Geschichten erzählen. Bei uns rücken die Menschen in den Vordergrund. So schaffen wir mehr Verständnis für Länder und Kulturen. Es sind Geschichten voller Vielfalt, Freude und über das dominante Krisenimage hinaus. Das baut Schranken ab. Vor allem die im Kopf. 

 

"Für unsere Arbeit mit Conflictfood reisen wir in Länder wie Afghanistan, Palästina, Myanmar oder die Ukraine. Diese Länder sind häufig aus europäischer Perspektive nur für ihre Konflikte bekannt. Das wollen wir ändern.

Am Anfang war es sicherlich nicht einfach für euch. Gibt es einen Moment, der euch besonders in Erinnerung geblieben ist?

Als nachhaltiges Sozialunternehmen gibt es an jeder Ecke Herausforderungen. Jedes neue Produkt ist quasi eine Neugründung: Aufwändige Recherchen, beschwerliche Besuche vor Ort, komplexe Logistik und immer wieder die Frage, ob es Kund*innen in Europa gibt, die die Idee mit ihrem Kauf unterstützen oder nicht. In Erinnerung bleiben selbstverständlich auch so manche Schwierigkeiten. Wenn wir aber die kleinen und großen Fortschritte sehen, die unsere Zusammenarbeit in den Partnerländern angestoßen haben, dann sind diese Gedanken schnell weggeweht.

 

Conflictfood Gründer in Afghanistan im Gespräch mit den Menschen vor Ort

Foto von Conflictfood.
 

Die Beschaffung der Lebensmittel ist bestimmt auch nicht einfach. Wie kommt ihr in die Konfliktregionen und wie müssen wir uns die Arbeit vor Ort vorstellen?

Das ist natürlich in jeder Region ganz unterschiedlich. Es gibt immer wieder Herausforderungen und wir kämpfen während des Aufbaus einer neuen Handelsbrücke nicht selten mit bürokratischen und logistischen Hürden.

Darüber hinaus wird die Arbeit in den Regionen selbst allerdings von den Kollektiven oder Produzent*innen getätigt, die dort bereits aktiv sind. Wir greifen nicht in ihre Strukturen ein, denn sie wissen selbst am allermeisten über ihre kulinarischen Schätze und die besten Wege, diese zu gewinnen. Natürlich stehen wir auf Wunsch als Sparringspartner zur Seite, der Fokus unserer Arbeit liegt jedoch auf der Übersetzung von Produkten und Geschichten für Kund*innen in Deutschland und Europa. 

 

" Wir greifen nicht in ihre Strukturen ein, denn sie wissen selbst am allermeisten über ihre kulinarischen Schätze und die besten Wege, diese zu gewinnen. 

Welche Länder und Regionen sind derzeit im Angebot von Conflictfood vertreten, und gibt es Pläne, das Sortiment in Zukunft zu erweitern?

Mit dem afghanischen Safran hatte es - wie gesagt - begonnen. Das “Rote Gold” ist auch noch immer der Liebling unserer Kund*innen. In Myanmar handeln wir mit ethnischen Minderheiten, die köstliche Schwarz- und Grüntees, getrockneten Ingwer sowie Kaffee anbauen. Aus Palästina haben wir vor einigen Jahren Freekeh mitgebracht, einen grünen Weizen, der besonders in der veganen Küche als Getreide beliebt ist. Aus Kambodscha kommt unser Kampot-Pfeffer, welcher im Rahmen eines Regenwald-Aufforstung Projektes wächst, das durch die Schwestern Keo und Malika vorangetrieben wird. Im letzten Jahr kam noch ein fermentierter Kräutertee aus einer Bio-Manufaktur in der Ukraine hinzu. Zuletzt waren wir in Mosambik unterwegs und haben unter anderem Flor de Sal im Gepäck. Das Sortiment wächst langsam aber stetig. Mittlerweile ist für jeden was dabei. 

 

Dann gab es sicherlich auch sehr glückliche Momente. Auf welche Erfolge seid ihr besonders stolz?

Richtig stolz sind wir darauf, dass unsere Partner*innen im globalen Süden mit uns wachsen. Als wir beispielsweise 2018 die Handelsbrücke nach Afghanistan aufgebaut hatten, erreichten wir noch ca. 80 Frauen. Heute arbeiten wir mit über 1500 Frauen und ihren Familien zusammen. Darüber hinaus haben wir vor 2 Jahren auf kontrolliert biologische Produktion umgestellt. Ein 3-Jähriger, komplexer Prozess. Bald werden wir Afghanistans erstes Bio-Lebensmittel auf den Markt bringen. Ein Riesen-Meilenstein, der einen Impact auf die gesamte Region Herat haben wird!

 

Conflictfood: Safran Ernte in Afghanistan

Foto von Conflictfood.
 

Wo seht ihr euch in 5 – 10 Jahren?

Wir sind stolz und legen großen Wert darauf, langfristige Handelsbeziehungen zu unseren Partner*innen aufzubauen. Es geht uns nicht darum, von einem akuten Krisenimage zu profitieren, sondern wir bleiben gerade dann in Kontakt, wenn mediales Interesse abflaut und unterstützen nachhaltige Lösungen. Darüber hinaus wollen und müssen wir natürlich wachsen, um unseren Impact zu steigern - das heißt neue Produkte und Regionen, aber auch neue Vertriebswege, Kund*innen und Gemeinschaften, die wir mit unserem Ansatz in Berührung bringen möchten.  

 

Was würdet ihr angehenden Gründer*innen im Food Bereich raten?

Stellt euch die Frage: “Löst unser Produkt ein soziales bzw ökologisches Problem?” Ist die Antwort “nein”, dann hat die Welt wahrscheinlich nicht darauf gewartet und ihr solltet unbedingt das Konzept nachbessern. Wenn die Antwort “ja” ist, dann bringt eine Menge Zeit, Liebe und Herzblut mit und legt los! Unser gesamtes Team hier freut sich schon auf euer freshes Produkt!

 

Salem & Gernot, vielen Dank für das Interview.

 

Conflictfood Produkpalette

 

 

 

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